US-Amerika in den 70er Jahren. Dottie Engels ist ein Star am Comedy-Himmel. Ihr Verkaufsargument ist ihr Übergewicht. Während sie durch die Staaten tourt, sitzen ihre Töchter Erica und Opal im prunkvollen New Yorker Apartment, betreut von wechselnden Babysittern, die Mutter sehen sie häufiger auf dem TV-Bildschirm als im echten Leben. Erica, die ebenfalls übergewichtig ist und den Bezug zu ihrem Körper schon in der Pubertät verliert und in der Schule ausgeschlossen wird - und Opal, das schlanke, hübsche, beliebte Mädchen. Beide suchen ihre Rolle im glamourösen Leben der Mutter. Erica wendet sich mehr und mehr von Dottie ab, gerät an den falschen Mann, zieht mit ihm in ein Loch, kein Job, kein Studium, sie lässt sich gehen. Opal sucht die Nähe zur Mutter, kreist um sie wie ein Satellit, auch noch mit Anfang 20.
Dann ändern sich die Zeiten. Plötzlich sorgen Witze über dicke Frauen nicht mehr für Brüller im Publikum, sondern für peinlich berührtes Hüsteln. Dottie altert, der einstige Publikumsliebling versteht den Humor der neuen Zeit nicht mehr, fragwürdige Werbedeals ersetzen ausbleibende Gigs. Schlimmer als Dottie selbst empfindet Opal den Abstieg ihrer Mutter, sie muss sogar ihr Studium pausieren, um damit klarzukommen. Und doch ist Meg Wolitzers Roman (der im Original schon 1989 erschien) keine Geschichte über den Niedergang einer Familie. Keine der drei Frauen stürzt gänzlich in die Tiefe. Sie fallen halt durchs Leben, schlagen sich die Knie daran blutig, wie es vielen Menschen so passiert, nur eben etwas extremer. Während man Dottie und Opal dabei zusieht, wie sie sich quälen, man sich manchmal fremdschämt und das Buch fast aus der Hand legen möchte, weil es so unangenehm ist, verliert man leicht den Blick für die Figur, die sich sehr viele Seiten lang kaum rührt und schließlich doch die ist, die am meisten über sich hinauswächst, in dem sie einfach eines Tages ihre Sachen packt: Erica. Jedenfalls so lange bis dann doch noch Dotties Entwicklung die extremste Kurve von allen nimmt. Wie gesagt, es geht mal auf, mal ab, nie mehr so hinauf wie am Anfang, aber auch nie so hinab, dass man die Hoffnung verlieren müsste.
Von Julia Grass